Rolf DeyhleRolf Deyhle


Rolf Deyhle



Wenn der Klinsi mit der Tonne

Große Landesausstellung im Kunstgebäude thematisiert die Geschichte des Fußballs im Südwesten.

Von Andrea Eisenmann

Wenn der Klinsi mit der Tonne Stuttgart - Fußball - das ist Leidenschaft, das sind Emotionen pur. Davon zeugt ab Morgen in der Großen Landesausstellung im Kunstgebäude die Werbebatterie eines japanischen Konzerns. Ein fußgroßes Stück ist aus ihrer Mitte herausgebrochen - das Werk von Jürgen Klinsmann. Am 10. Mai 1997 war der schwäbische Stürmer im Dienste des FC Bayern München über seine Auswechslung gegen Tabellenschlusslicht SC Freiburg so erbost, dass er gegen die Tonne trat und sich dabei eine Prellung zuzog. „Die Werbebatterie hat ein Stuttgarter ersteigert und uns für die Ausstellung zur Verfügung gestellt“, sagt Museumsleiter Thomas Schnabel vom Haus der Geschichte.

Geschichten wie diese gibt es im Fußball zuhauf. In 3500 Vereinen werde im Südwesten gekickt, mehr als eine Million Spieler gebe es in Baden-Württemberg, zählt Kunststaatssekretär Dietrich Birk auf. In der Landesausstellung können allerdings selbst alte Dribbel-Hasen Neues erfahren. Kaum einer dürfte bislang wissen, dass die erste Meistertrophäe im deutschen Fußball nach der Siegesgöttin „Viktoria“ benannt worden ist und Jahrzehnte lang verschollen war. Oder dass die „Königlichen“ von Real Madrid im Jahr 1963 in der Landeshauptstadt über den Rasen fegten - in einem Freundschaftsspiel gegen die Stuttgarter Kickers, die dafür schlappe 135 000 Mark hinblättern sowie eine 1:5-Schlappe einstecken mussten. Allerdings schlugen sich die Schwabenkicker damit immer noch besser, als die deutsche Nationalmannschaft im Spiel gegen England im Jahr 1909. In Oxford kassierten die Spieler eine 0:9-Klatsche. Besonders bitter: Die Briten traten lediglich mit einer Amateurmannschaft an. Wie so oft im Fußball konnte man hinterher aber gleich eine Erklärung für die schlechte Leistung liefern: Die deutschen Spieler wären bei der Überfahrt seekrank geworden.

Etwa 90 Anekdoten erzählen die Ausstellungsmacher in der Schau. Filmaufnahmen, Fotos und zahlreiche zeitgenössische Dokumente richten den Blick weit über das Sportliche hinaus. „Fußball ist viel mehr als ein Freizeiterlebnis, er ist ein Spiegel der lebendigen Kulturgeschichte“, ist Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger überzeugt.

Zunächst kommen die Besucher in einen „Emotionsraum“, in dem Jubel- und Trauerszenen auf die gegenüberliegenden Wände projiziert werden. Nur wenige Meter weiter befindet sich das einzige Exemplar eines FIFA-Pokals, das sich in Privatbesitz befindet. „Er gehört dem Unternehmer Rolf Deyhle. Dieser hat ihn in den 70er-Jahren als Dank für seine Hilfe beim Aufbau der Vermarktung der Fußball-Weltmeisterschaften erhalten.“

In einem Aktionsbereich können Besucher aller Altersklassen ihren Spaß am Fußball ausleben: Tischkicker und Tipp-Kick-Plätze stehen bereit und wer will, kann sich als Kommentator an einem Sportreporter-Arbeitsplatz versuchen.

Ein Ausstellungsstück überrascht auf den ersten Blick: In einer Vitrine befindet sich ein zwölfteiliges Blümchen-Service von Villeroy & Boch. Damit beglückwünschte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 1989 die Frauen-Fußball-Nationalmannschaft zum Gewinn des Europa-Meistertitels 1989. Die Freude dürfte sich damals wie heute in Grenzen gehalten haben. Im Kunstgebäude ist das Service von Trainerin Silvia Neid ebenso zu sehen wie die erste gelbe Karte der Fußball-Geschichte. Diese wurde 1970 von dem Reilinger Schiedsrichter Kurt Tschenscher im Weltmeisterschafts-Spiel UdSSR gegen Mexiko gezückt.

Ihren Titel verdankt die Landesausstellung übrigens Jürgen Klinsmann. Nach dem Gewinn der Europameisterschaft 1996 kommentierte der Stürmer seine Freude über den Titelgewinn mit dem Ausspruch: Das seien „Gefühle, wo man schwer beschreiben kann“ und machte so den schwäbischen Relativsatz auch bundesweit bekannt.

Die Große Landesausstellung ist bis zum 11. Juli im Kunstgebäude am Schlossplatz zu sehen. Morgen können die Exponate von 15 bis 20 Uhr besichtigt werden. Ausnahmsweise ist die Ausstellung auch am Montag, 29. März, von 10 bis 18 Uhr geöffnet. An den ersten beiden Tagen ist der Eintritt kostenlos.

Artikel vom 27.03.2010 © Eßlinger Zeitung